Auf Youtube fand ich ein Video, in dem gezeigt wird, wie ein römisch-katholischer Bischof für einen Gottesdienst im tridentinischen Ritus vorbereitet wird. Eindrücklicher lässt sich wohl nicht demonstrieren, wie wenig diese Liturgie mit dem Letzten Abendmahl zu tun hat, das der mittellose Wanderprediger Jesus aus Nazareth mit seinen Jüngern feierte.
Wenn es Sie langweilt zu lesen, wie ein alter Mann angekleidet wird, dann überspringen Sie diesen Teil und lesen Sie noch das Ende dieses Beitrags. Da wird es noch mal richtig interessant…
Das Video https://www.youtube.com/watch?v=21oE6mJUTAY zeigt den römisch-katholischen Bischof Czeslaw Kozon des Bistums Kopenhagen (es umfasst das gesamte Königreich Dänemark, einschließlich der Färöer und Grönlands).
Im Folgenden beschreibe ich, was im Video geschieht. Die Zitate geben an, was der Priester bzw. in diesem Fall der Bischof beim Anlegen dem römischen Ritus folgend schweigend betet.
0:00 min – Der Bischof sitzt in einem Raum – wahrscheinlich die Sakristei seiner Kathedrale in Kopenhagen – bereits gekleidet in violetter Soutane mit Zingulum (Bauchschärpe) und Pileolus (Scheitelkäppchen). Beim Anlegen der Soutane und dem Zuknöpfen der 33 Knöpfe hat er wahrscheinlich die üblichen Worte gebetet:
Der Herr ist mein Erbanteil, er reicht mir den Becher; du bist es, der mein Los hält.
Ein Geistlicher kniet vor ihm nieder. Ob das nur eine Ehrfurchtsgeste ist oder ob er ihm dabei etwas reicht oder anlegt, ist nicht zu erkennen.
0:06 – Zwei Geistliche verbeugen sich vor ihm, reichen ihm Schale, Krug und Tuch, damit er sich die Hände waschen und abtrocknen kann.
Gib Tugend, o Herr, meinen Händen, dass jeder Makel abgewaschen werde, damit ich Dir ohne Befleckung des Leibes und der Seele zu dienen vermag.
Sie verbeugen sich erneut und treten ab.
0:32 – Ein weiterer Geistlicher verbeugt sich vor ihm und reicht ihm das spitzenverzierte Humerale (Schultertuch), das er sich selbst umbindet.
Setze, o Herr, auf mein Haupt den Helm des Heiles, um alle teuflischen Anfechtungen zu bezwingen.
1:00 – Zwei Geistliche helfen ihm beim Anziehen der Albe, einem knöchellangen Gewand aus weißem Leinen.
Läutere mich, o Herr, und reinige mein Herz, damit ich, im Blut des Lammes weiß gewaschen, die ewigen Freuden genieße.
Ein Kameraschwenk nach rechts zeigt mindestens sieben in einer Reihe wartende Akolythen und Ministranten, die mit weiteren bischöflichen Kleidungsstücken oder Insignien auf ihren Einsatz warten.
1:30 – Ein Akolyth hält über seinen ausgestreckten Armen das Zingulum (Strick oder Gürtel); er verneigt sich vor dem Bischof und reicht ihm feierlich das Zingulum, das er sich selbst umbindet.
Umgürte mich, o Herr, mit dem Gürtel der Reinheit und lösche aus meinen Lenden den Trieb der Begierlichkeit, damit in mir bleibe die Tugend der Enthaltsamkeit und Keuschheit.
1:46 – Ein Akolyth hält ihm das Pektorale (Bischofskreuz) mit Kordel und Quaste vors Gesicht, damit es der Bischof küssen kann, und legt es ihm dann um den Kopf.
1:56 – Er reicht ihm die Stola (eine Art Schärpe) zum Kuss und legt es ihm mit Hilfe eines weiteren Geistlichen um die Schulter.
Gib mir, o Herr, das Kleid der Unsterblichkeit zurück, das ich durch den Fall des Stammvaters verloren habe, und obwohl ich unwürdig Deinem Geheimnis mich nahe, möge ich doch die ewige Freude verdienen.
2:20 – Drei Geistliche helfe ihm beim Anlegen der Tunicella – einem dünnen Gewand, das ursprünglich das liturgische Gewand der Subdiakone war. Acht Hände zupfen das Gewand und die Schleifen zurecht.
Bekleide mich o Herr mit dem Gewande der Freude.
2:39 – Zwei Geistliche ziehen dem Bischof die Pontifikal-Dalmatik an. Zu dritt kontrollieren und korrigieren sie den Sitz und den Faltenwurf. (Dieses Gewand war eigentlich die liturgische Kleidung der Diakone war. Seit dem 12. Jahrhundert trugen Bischöfe im Pontifikalamt alle liturgischen Gewänder der höheren Weihen – Tunicella, Dalmatik und Kasel – übereinander, um die Vollmacht des Amtes zu symbolisieren.)
Umgib mich o Herr mit Heil, Freude und Gerechtigkeit wie mit einem Gewande.
3:30 – Ein Akolyth verbeugt sich und reicht dem Bischof die bestickten weißen Handschuhe, die er – mit Hilfe von zwei Diakonen – anzieht.
Hülle meine Hände, o Herr, in Reinigkeit eines ungebornen Menschen, dessen Seele du soeben vom Himmel herabgesendet hast, und gib, dass, wie dein geliebter Jakob durch die mit Bockshäuten bedeckten Hände den Segen des Vaters erhielt, als er diesem das liebste Gerichte und Getränke dargereicht hatte, auch ich durch das heilbringende Opfer aus meinen Händen der Gnade deines Segens würdig sei. Durch unseren Herrn Jesus Christus, unsern Herrn usw.
4:05 – Drei Geistliche helfen beim Anlegen der Kasel – dem „Messgewand“, hier in der römischen „Bassgeigen-Form“.
O Herr, der Du gesagt hast: ‚Mein Joch ist süß und meine Bürde leicht‘, gewähre mir, dass ich es so zu tragen vermag, dass ich Deine Gnade erlange. Amen.
4:44 – Ein jugendlicher Ministrant, der bis dahin die Mitra getragen hat, reicht sie dem Akolythen, der Akolyth reicht sie dem Diakon, der Diakon setzt sie dem Bischof aufs Haupt.
Waffne mich, o Herr, wie mit Streithut und Helm, auf dass ich gegen die Anschläge des Erbfeindes und aller meiner Feinde unversehrt siege.
5:04 – Ein Diakon kniet vor dem Bischof nieder, legt ihm den Bischofsring an und küsst ihn. (Den Ring, nicht den Bischof.) Der Ring ist das Zeichen der Bindung des Bischofs an seine Diözese, so wie der Ehering als Symbol die dauernde Bindung der Ehepartner symbolisiert.
Gott, der du mich dem heiligen Altardienste gewidmet, durch das Sinnbild der Treue verbunden und deinem Volke zum Vorsteher gesetztet hast: wolle mich vollkommen reinigen, auf dass ich verdiene, mit der mir anvertrauten Herde in des Lebens Buch eingeschrieben zu werden.
5:08 – Und fertig ist die Laube! Es fehlt nur noch der Bischofsstab, der im Video nicht zu sehen ist.
Und was hat das alles mit
Jesus von Nazareth zu tun?
Recht wenig, wie ich finde:
- Jesu wusch vor dem Abendmahl seinen Jüngern persönlich die Füße und lehnte es entschieden ab, sich stattdessen von Petrus bedienen zu lassen (Joh 13,3–8).
Der Bischof im Video – der in persona christi zu handeln vorgibt – lässt sich von einer ganzen Schar von Helfern bedienen, die sich ständig vor ihm verbeugen und ihm sogar den Ring küssen. - Im Video sind schon an der Kleidung die sehr fein differenzierten hierarchischen Ränge zu erkennen – dabei hat doch Paulus gefordert: „Haltet den Glauben … frei von jedem Ansehen der Person! Wenn ihr aber nach dem Ansehen der Person handelt, begeht ihr eine Sünde und werdet vom Gesetz überführt, dass ihr es übertreten habt.“ (Jak 2,1+9)
- Jesus warnte eindringlich: „Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher … und sie wollen in der Synagoge die Ehrensitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben.“ (Mk 12,38)
- Nach katholischer Lehre betrachten sich die Bischöfe als Nachfolger der Apostel. Die schickte Jesus in die Welt: „Und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.“ (Mk 6,8)
- Jesus warnte vor den Schriftgelehrten und Pharisäern, hatte dabei aber vielleicht auch schon die katholischen Würdenträger im Blick: „Alles, was sie tun, tun sie, um von den Menschen gesehen zu werden: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang … Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Mt 23,5)
Ich finde das Video sehr interessant. Ihre Kritik verkennt eben, dass es gar nicht zwingend ist, einen historischen Jesus vom Christus des Glaubens zu trennen. Außerdem bin ich nicht so sicher, dass es wirklich so jesuanisch ist, einfach alles historisch Gewordene abzuziehen, unser Jesusbild dessen zu entkleiden. Biblisch hilft Ihnen eventuell die Kultkritik des Hebräerbriefes, zu verstehen, was ich meine, weil sie bei aller Kritik grundlegender noch Kulttheologie ist und bleibt.
Hallo Herr v. Oldendorf! Ich verstehe nicht, worauf sie hinauswollen. Ich will ja den „historischen Jesus“ eben nicht vom „Christus des Glaubens“ trennen! Für mich ist der historische Jesus, der mittellose, schlicht gekleidete Wanderprediger, der Maßstab. Mir sind die Priestern und Bischöfen der tridentinischen Tradition mit ihren prunkvollen, kostbaren Messgewändern deswegen so fremd, weil ihre Kleidung so gar nicht zum „historischen Jesus“ passt.
Das Stichwort „Kultkritik des Hebräerbriefes“ war mir unbekannt. Ich habe dazu ein paar Verweise im Internet gefunden, aber damit muss ich mich später ausführlicher beschäftigen…
Die Gewänder dienen dem Herausheben des Gottesdienstes als Kultakt, Ausdruck der Herrlichkeit des neuen Jerusalems, nicht der Eitelkeit und Luxusliebe der Zelebranten. Im Alltag trägt man ja tatsächlich einfache Sachen. Sie verwechseln Amt und Person. Als eine Frau Jesu Haupt salbt und dafür den Unwillen der Jünger sich zuzieht, sagt Jesus: “Lasst sie!” (Mk 14,3–9) Die von Ihnen zitierten Bibelstellen sind völlig aus dem Kontext gerissen. Die Fußwaschung ist Ausdruck des Dienens und der Liebe Jesu, gipfelnd in seinem Kreuzestod. Jesus prangert die Heuchelei der Pharisäer an, aber nicht den Tempelkult. — In Jak 2, der übrigens nicht von Paulus, sondern von Jakobus ist, geht es darum, dass niemand wegen seiner Armut Nachteile leiden darf und niemand, wegen seines Reichtums Vorteile. Die Armen sind ebenso für den Himmel berufen, wie die Reichen, da gibt es bei Gott keinen Unterschied. Wie vor Gericht: Reiche dürfen sich nicht “freikaufen” können und auch Armen muss zu ihrem Recht verholfen werden.
Ich kenne dieses Video und an sich gefällt es mir sehr gut. Das Katholik:innen heute nicht mehr so viel damit anfangen können, ist leicht nachvollziehbar. Denn ganz eindeutig wird hier eine spätantike bis mittelalterliche Symbolik verwendet, die vor allem auch einen universellen Machtanspruch der Kirche zum Ausdruck bringt.
Ich finde es dennoch legitim, wenn daraus wirklich ausschließlich eine gewisse Demut und Ehrerbietung des dreieinigen Gottes spricht. Meine Auffassung ist jedoch, dass nicht selten ein gewisser Hang zum Prunk das eigentliche Motiv ist.
Im Übrigen ist das was Sie hier als “Zingulum (Bauchschärpe)” bezeichnen korrekt bezeichnet eine Fascia um es vom Zingulum das über der Albe getragen wird zu unterscheiden. Im deutschsprachigen Raum wird beides sehr häufig vermischt. Ähnlich wie bei Mozzetta und Pellegrina, selbst in Fachliteratur habe ich diese Begriffe schon missverständlich und falsch verwendet gesehen.
https://en.wikipedia.org/wiki/Fascia_(sash)