Der Theologe P. Romano Christen, Direktor des Bonner Theologenkonvikts Collegium Albertinum, war 2019 wegen eines Vortrags zur Homosexualität in die Kritik geraten – nicht nur in der LGBT-Community, sondern auch innerkirchlich: Der Moraltheologe Stephan Goertz sagte, die Aussagen des Vortrags entsprächen „dem wissenschaftlichen und moraltheologischen Stand der 1950er und 1960er Jahre (…) durchzogen von Vorurteilen, die für Betroffene kaum zu ertragen sind – vor allem weil ihnen abgesprochen wird, menschlich anständige Beziehungen leben zu können“. Der Fundamentaltheologe Magnus Striet kritisierte, dass gleichgeschlechtlich orientierten Priesteramtskandidaten vermittelt werde, „dass Sexualität ein Defekt ist, dass sie ihre Gefühle zu verdrängen haben.“ Das sei „eines der Einfallstore für sexuelle Gewalt in der Kirche“.
„Wer so über Homosexuelle denkt und redet, hat sich für die Ausbildung des Priesternachwuchses diskreditiert“, meinte Tim Kurzbach, der Vorsitzende des Kölner Diözesanrats. Christens Thesen seien beleidigend. Die katholische Laienvertretung in der Erzdiözese Köln verlangte die Ablösung Christens.
Selbst der Hamburger Erzbischof Stefan Heße – sonst eher zurückhaltend mit innerkirchlicher Kritik – bezeichnete Christens Aussagen als „katastrophal“; die Erkenntnisse der Wissenschaft seien bei Christen offensichtlich nicht angekommen. Schließlich erklärte der Kölner Generalvikar Dr. Markus Hofmann: „Die von Pater Romano Christen geäußerten Ansichten entsprechen nicht der Auffassung des Kölner Erzbischofs, Kardinal Woelki.“
Um welche Aussagen ging es konkret?
Die Frage des Umgangs mit homosexuellen Tendenzen
(…) Das, was ein Mann im anderen Menschen des gleichen Geschlechts unbewusst sucht, ist die Männlichkeit, die er selbst nicht zu haben fühlt und die er im anderen idealisiert. Auch wenn viel Romantik mitspielt, handelt es sich weniger um die reale Begegnung mit einem Du, als eher um eine narzisstische Suche, die ein eigenes Gefühl stillen will. Deswegen wird immer wieder die affektive Unreife bei homosexuellen Menschen hervorgehoben (die sich durchaus mit hoher Intelligenz, Freundlichkeit und Einsatzbereitschaft paaren kann).
(…) Dem genitalen Akt zwischen zwei Männern bleibt sowohl die innige Vereinigung und gegenseitige Ergänzung verwehrt wie auch die Fruchtbarkeit der Prokreation. Dieser physiologische Mangel ist aber auch ein solcher, der sich auf die psychologische und auf die personale Ebene weiter auswirkt.
(…) Auch wenn sie von der Schwulen-Lobby regelrecht dämonisiert werden, gibt es Therapien und Männer, die sie erfolgreich bestanden haben. Aber dieser Weg ist hart und führt nicht immer zum erhofften Ergebnis, vor allem wenn sich Gewohnheiten fest eingeprägt haben.
https://y‑nachten.de/2019/05/empoert-euch-die-unertraeglichen-aeusserungen-von-p-romano-christen-ueber-homosexualitaet/
Angesichts des heftigen Gegenwinds ruderte Pater Romano Christen zurück: „Mein Vortrag war, wie ich in den letzten Tagen in vielen Gesprächen gelernt habe, unzulänglich und mitunter vielleicht auch so formuliert, dass er Missverständnisse allzu leicht ermöglicht. Es war nicht meine Absicht, homosexuelle Menschen zu verletzen. Sofern das doch geschehen ist, bitte ich um Entschuldigung.“ Er halte homosexuelle Menschen nicht für „krank“, außerdem habe er Standpunkte Dritter referiert. „Aber wichtiger ist mir klarzustellen, dass nach meiner Überzeugung jeder Mensch Respekt verdient und niemand wegen seiner sexuellen Orientierung herabgewürdigt werden darf. Dass durch meine Äußerungen ein anderer Eindruck entstanden ist, tut mir leid.“
Mir ist nicht klar, wie Pater Christen einerseits Homosexuellen affektive Unreife, physiologische und psychologische Mängel attestieren kann, sie aber andererseits nicht verletzen oder herabwürdigen will. Oder wieso er die kritisierten Standpunkte (unbenannten) „Dritten“ unterschieben will, obwohl er sie im Vortrag als seine eigenen ausgegeben hat. Oder was er damit meint, wenn er sagt, sein Vortrag sei vielleicht (!) so formuliert, dass er Missverständnisse (!) allzu leicht ermöglicht. Will er damit behaupten, dass seine Formulierungen im Prinzig richtig waren, er nur falsch verstanden wurde?
Jetzt wird er für zwei Jahre die Priesterausbildung im Erzbistum Köln übernehmen
Statt diesen im Mittelalter hängen gebliebenen Theologen aus dem Verkehr zu ziehen, hat ihn sein Bischof, Kardinal Rainer Maria Woelki damit beauftragt, die Ausbildung der Priesterseminaristen des Erzbistums Köln zu übernehmen.
„Wir alle machen Fehler, ich auch, und es ist wichtig, dass ein einzelner Fehler nicht alles andere überschattet“, sagte Woelki.
Richtig, Herr Woelki, jeder macht Fehler – aber nicht alle Fehler sind gleich schwerwiegend. Der kirchliche Sektenbeauftragte, der öffentlich für Dianetik-Seminare nach L. Ron Hubbard wirbt, der Abteilungsleiter beim BUND, e.V. der den Ausbau der Kernkraft fordert, die Kindergarten-Leiterin, die für die Entkriminalisierung der Pädophilie demonstriert – sie alle wären schnell weg vom Fenster, weil deren Fehler durchaus „alles andere überschatten“.
Aber ein Priester und Theologe, der mit seinen menschenverachtenden und wissenschaftlich widerlegten Thesen sogar der katholischen Lehre widerspricht (siehe: „Katechismus der Katholischen Kirche“, Nr. 2358), darf junge Menschen zum Priesterberuf begleiten? Wer sorgt dafür, dass er nicht wieder „einzelne Fehler“ dieses Kalibers macht?