Heute ging es in der Predigt um die sieben Sakramente. Der Pfarrer erklärte, dass wir alle durch die Taufe Kinder Gottes geworden sind. Soweit alles klar; das haben wir oft gehört, das wissen wir längst.
Aber dann bin ich doch bei dieser Aussage hängen geblieben. Stimmt das wirklich? Was waren wir denn vor der Taufe? Und was sind all jene Menschen, die – aus welche Gründen auch immer – nicht getauft wurden?
Das Sakrament der Taufe wird durch einen Menschen gespendet – meistens durch einen Priester oder einen Diakon, an manchen Orten (dem Priestermangel geschuldet) auch durch durch einen Pastoral- oder Gemeindereferenten. Bedeutet das nicht, dass es in menschlichem Ermessen liegt, einen Menschen zu einem Kind Gottes zu machen? Hängt das Kind-sein nicht vom Vater ab?
Was sagt der Katechismus dazu? Ich fand folgende Stelle:
Durch die Sakramente der Wiedergeburt sind die Christen „Kinder Gottes“
Nr. 1692, Katechismus der Katholischen Kirche, München u.a. 1993
geworden und haben „an der göttlichen Natur Anteil erhalten“.
Tatsächlich: Die Kirche lehrt, dass wir erst durch einen menschlichen Akt zu Kindern Gottes werden. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Gott seine Geschöpfe nicht in „meine Kinder“ und „andere Menschen“ unterscheidet.
Aber dann habe ich in der Bibel noch etwas Ermutigendes gefunden. Wenigstens an einer Stelle hat Jesus den Begriff „Kinder Gottes“ weiter gefasst:
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Mt 5,9
Frieden stiften – das können auch Ungetaufte. Auch Juden, Muslime, Buddhisten, Atheisten usw. Und das ist vielleicht wichtiger als ein Taufschein.
Es geht hier um das “Von Neuem geboren werden”.
Okay, das „von Neuem geboren werden“ wäre eine Unterscheidung, die Ungetaufte nicht „diskriminieren“ würde. Aber dann finde ich die Bezeichnung „Kind Gottes“ unpassend – oder zumindest sehr irreführend. Denn Kind ist man von Geburt an, nicht erst dadurch, dass man selbst etwas dazu tut bzw. – bei der Kindstaufe – dass ein anderer Mensch etwas dazu tut.
Die Formulierung, die Taufe sei „das sichtbare Zeichen dafür, dass Gott diesen Menschen angenommen hat“, könnte man immerhin so auslegen, dass Gott alle Menschen angenommen hat, dass das aber in der Taufe sichtbar wird. Würde das aber nicht bedeuten, dass mit dem Getauften nichts passiert, was nicht bereits geschehen ist? (Abgesehen davon, dass er dadurch Mitglied der Kirche wird…)
Es geht überhaupt nicht um Diskriminierung. Es geht um Tatsachen. Ich sehe in der Bibel zwei verschiedene Ansätze zum “Kind Gottes Sein”, die sich nicht ausschließen, sondern ergänzen:
a) Da ist die universelle Vaterschaft Gottes. Seinem Verlangen nach sind alle Menschen “potentiell” seine Kinder. Das betrifft, was er für uns sein will — ein Vater. Jesus kam, um den Vater bekannt zu machen. Der Name, der im Vater Unser geheiligt werden soll, ist der Vatername Gottes. Jesus verkündet den Vater, dessen Reich mit ihm gekommen ist. Noch umkämpft, noch vielfach verborgen, aber doch in Macht gekommen durch die Auferstehung Christi.
b) Dann ist da die Frage der “Sohnschaft in Vollmacht”. Ein Beispiel: Ein Findelkind kann der Sohn eines Königs oder eines Kaisers sein. (Sie wissen ja, dass aus diesem Stoff schon Geschichten geschrieben wurden.) Er wird aber diese Sohnschaft nie erleben und ausleben, solange er von seinem Vater getrennt ist und keine Beziehung mit ihm hat. Er hat schlicht nichts davon. Weder seine Identität noch sein Leben ändern sich für ihn. Wir sprechen ja auch in der Psychologie von der “Vaterlosen Gesellschaft”. Da ist im Gleichnis der verlorene Sohn (obwohl es eigentlich eher um den verlassenen Vater geht). Als dieser Sohn ins Vaterhaus umkehrt, sagt sein Vater über ihn: Dieser mein Sohn war verloren und ist gefunden worden, er war tot und ist lebendig geworden. Um welches Leben geht es? Um das vollmächtige Leben eines Sohnes, der ein rechtmäßiger Erbe ist. Paulus spricht davon. In diesem Sinn wird man erst dann wirklich zum Kind Gottes, wenn man in die lebensspendende Beziehung zum himmlischen Vater durch Jesus Christus eintritt. Vorher ist man “tot” bzw. “verloren”. Man hat schlicht nichts davon. Und einem Menschen zu sagen: Du bist ein Kind Gottes, ohne ihm zu erklären, wie er denn überhaupt den Vater finden und mit ihm leben kann, ist grausam. Den Eintritt in diese “Sohnschaft in Vollmacht” wird im Christentum durch die Taufe “markiert”.