Kathpedia.com ist eine Art Wikipedia für kirchentreue Katholiken, die es nicht so genau wissen wollen.
Nehmen wir zum Beispiel den Artikel über den Priester Reto Nay. Der Beitrag endet mit den Worten:
Seit Dezember 2006 ist er Seelsorger in der Schweizer Pfarrei Sedrun. Er ist auch der Mitbegründer der katholischen Plattform Gloria-TV.
Dass er bereits vor vier Wochen (u.a. wegen eines Beitrags auf Gloria-TV, in dem katholische Bischöfe mit Hakenkreuzen abgebildet wurden), von seiner Kirchengemeinde entlassen wurde, dass er zwei Tage später von seinem Bischof seines Amtes enthoben wurde, dass er seitdem untergetaucht ist – das alles wird hier nicht erwähnt. Dabei wurde der Artikel heute (am 18.04.2013) zuletzt überarbeitet… (Wenn Sie sich für die Details interessieren, lesen Sie über Reto Nay auf Wikipedia.)
Nachtrag: Am 19.04.2013 – nur einen Tag nach meinem Blog-Eintrag – hat Kathpedia den Artikel über Reto Nay komplett gelöscht. Die anderen Beiträge (siehe unten) existieren immer noch. Genauso unvollständig wie zuvor.
Auch in anderen Fällen erweist sich Kathpedia als verblüffend uninformiert (oder besser: uninformierend):
Nehmen wir zum Beispiel den Artikel über den Pfarrer Hendrick Jolie. Der endet so:
Der Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel lud Pfarrer Hendrick Jolie am 2. Mai 2011 zu einem Treffen von 150 Bloggern ein, um einen konkreten Dialog zwischen den Bloggers und Vertretern der Kirche zu fördern, Erfahrungen auszutauschen und die Ansprüche und Bedürfnisse dieser neuen Gemeinschaft sowie besonders der „Blogozese“ zu verstehen.
Dass er Ende 2012 seinen Bischof und die Öffentlichkeit wochenlang über seine Mitarbeit beim rechtsradikalen kreuz.net belog (u.a. hatte er dort in einem Kommentar den Papstprediger Raniero Cantalamessa und den Kurienstaatssekretär Angelo Sodano als „Gehirngnome“ bezeichnet), später aber einen „leichtfertigen Umgang mit kreuz.net“ eingestand und deswegen von Kardinal Karl Lehmann gemaßregelt wurde, das scheint für Kathpedia nicht von Interesse zu sein.
Über das Ende von Pater Marcial Maciel Degollado, den Gründer der „Legionäre Christi“, erfährt der kirchentreue Katholik nur:
2005 zog sich P. Maciel schließlich aus Altersgründen von der Leitung der Kongregation zurück. Ihm wurde angesichts massiver Vorwürfe 2006 seitens der Glaubenskongregation auferlegt, ein Leben der Buße und des Schweigens zu führen; auf einen kanonischen Prozess wurde allerdings verzichtet.
Dass ihm vorgeworfen wurde, minderjährige Seminaristen sexuell missbraucht, mit zwei Frauen uneheliche Kinder gezeugt und mindestens zwei seiner eigenen Kinder sexuell missbraucht zu haben (die meisten der Vorwürfe wurden vom Vatikan und von den Legionären Christi bestätigt), das alles wird verschwiegen.
(Marcial Maciel Degollado auf Wikipedia)
Oder der Beitrag über Eva Herman. In diesem Artikel, der am 24.08.2012 zuletzt überarbeitet wurde, endet ihr Lebenslauf mit den Worten:
Ebenfalls beim NDR bekam sie 1997 gemeinsam mit ihrer Kollegin Bettina Tietjen ihre eigene Talkshow „Herman & Tietjen“. Diese Sendung läuft mit großem Erfolg im Abendprogramm des NDR- Fernsehens und feierte 2007 das zehnjährige Bestehen. Sie hat beim 3. Internationalen Kongress Treffpunkt Weltkirche 2008 migetwirkt.
Dass ihr der Norddeutsche Rundfunk, bei dem sie als Fernsehmoderatorin tätig war, schon fünf Jahre zuvor fristlos gekündigt hatte (Grund waren Äußerungen über die Wertschätzung der Mütter im Nationalsozialismus), erfährt der Leser nicht.
Solche Lichtgestalten des wahren Katholizismus dürfen durch unbequeme Fakten natürlich nicht befleckt werden!
Zu Beginn erwähnte ich Gloria-TV. Der betreffende Kathpedia-Artikel wurde heute, am 18.04.2013 um 12:05 Uhr gelöscht. Vielleicht besser so.
Fazit: Wer Informationen – auch zu katholischen Themen – sucht, kommt bei Wikipedia (und anderen „unkatholischen“ Quellen) besser ans Ziel.
Nachtrag: Heute stieß ich im Internet auf den Beitrag „Weniger Wissen mit Kathpedia“ im Blog „Episodenfisch“. Sehr lesenswert. Übrigens: Wenn man bei Google nach „Kathpedia“ sucht, findet man zuerst Kathpedia selbst, dann einen Eintrag auf Wikipedia – und schon an dritter Stelle den genannten Episodenfisch-Eintrag. Wenn ich berücksichtige, dass sich das Ranking bei Google u.a. nach der Häufigkeit der Seitenaufrufe richtet, kann ich beruhigt sagen: Der Kampf gegen die Dummheit ist noch nicht verloren…