Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, befürchtet, dass der Synodale Weg in die Spaltung hineinführe und damit aus der Gesamtkirche heraus. So schrieb es VATICAN NEWS am 17.09.2020.
Sehr geehrter Herr Woelki,
ist Ihnen nicht bekannt, dass die zweitausendjährige Geschichte der Kirche eine Geschichte ständiger Spaltungen ist?
Zugegeben: Die Nestorianer, Amalrikaner, Hussiten, Joachimiten, Lollarden, Fratizellen usw. wurden mit Hilfe von Exkommunikation, Kirchenbann, Scheiterhaufen oder Schwert vernichtet oder in die Bedeutungslosigkeit getrieben, so dass sich die Kirche schnell wieder als die eine Kirche darstellen konnte.
Aber was ist mit den vielen orthodoxen Kirchen, den Lutheranern, Calvinisten, Reformierten, Anglikanern, Altkatholiken/Christkatholiken usw., die ihre (freiwillige oder erzwungene) Abspaltung überlebt haben?
Doch das ist für Sie wahrscheinlich auch kein Problem: Schließlich hat Papst Benedikt XVI. 2010 noch einmal betont, dass dies „nicht Kirchen im eigentlichen Sinn“ seien; es sei „nicht ersichtlich, wie man diesen Gemeinschaften den Titel ‚Kirche‘ zuschreiben könne“. Es wäre also verständlich, wenn Sie, Herr Woelki, auch angesichts dieser Schismen immer noch von der einen Kirche redeten.
Auch in der Gegenwart ist die katholische Kirche tief gespalten:
- in die acht bis zehn Prozent der Gläubigen, denen der Sonntagsgottesdienst wichtig ist – und die große Mehrheit, die davon überhaupt nicht mehr berührt wird;
- in diejenigen, denen es genügt, von der Kirche gesagt zu bekommen, was sie zu glauben, zu tun und zu lassen haben – und denjenigen, denen die im 2. Vatikanischen Konzil definierte Glaubens- und Gewissensfreiheit wichtig ist;
- in diejenigen, denen es völlig ausreicht, sonntags die Eucharistie zu empfangen – und diejenigen, die das Reich Gottes auf Erden errichten wollen;
- in diejenigen, die der Petrusbruderschaft oder dem Opus Dei anhängen – und diejenigen, die sich mit „Wir sind Kirche“ oder „Maria 2.0“ identifizieren;
- in diejenigen, die Homosexualität für eine schwere Sünde halten – und diejenigen, die überzeugt sind, dass auch Homosexuelle eine gottgewollte Beziehung führen können usw.
Sie sehen (hoffentlich), dass kein Synodaler Weg nötig ist, um die Kirche zu spalten.
Das schlimmste Ergebnis wäre es, wenn der Synodale Weg in die Spaltung hineinführt und damit aus der Kirche, aus der Communio mit der Gesamtkirche heraus. Das wäre am schlimmsten, wenn hier so etwas wie eine deutsche Nationalkirche entstehen würde.
Rainer Maria Woelki
Ja, es wäre schade, wenn einzelne Teile der Kirche eigene Wege gehen. Aber das wäre immer noch besser, als wenn alle in trauter Harmonie auf dem Holzweg unterwegs sind – oder wenn diejenigen, die diesen Weg nicht mitgehen können, die (römisch-katholische) Kirche ganz verlassen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Kegebein
Das gesamte Interview Woelkis mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) können Sie hier lesen.