Kardinal Gerhard Ludwig Müller, von Papst Franziskus geschasster ehemaliger Präfekt der Glaubenskongregation (vormals: „Heilige Inquisition“) scheint nichts mehr zu fürchten, als aus dem Blickfeld der (römisch-katholischen) Christenheit zu verschwinden.
Im Februar 2020 empörte er die Öffentlichkeit, als der den Synodalen Weg als „suizidalen Prozess“ bezeichnete und mit Adolf Hitlers Ermächtigungsgesetz verglich. Im Mai dann unterzeichnete er einen rechtsgerichteten Aufruf, in dem es u.a. heißt, die Corona-Pandemie sei nur ein Vorwand, um Bürgerrechte außer Kraft zu setzen, es drohe die Schaffung einer Weltregierung.
Nun warnt er in einem Interview mit dem rechten kath.net davor, den Präsidentschaftskandidaten Joe Bide zu wählen:
Wer Biden und vor allem seine Stellvertreterin, die ihn bald als Präsidentin beerben wird, wählt, muss wissen, dass er mit seiner Stimme (1.) Ja sagt zur Abtreibung und zur Kommerzialisierung von Kindstötung und dem Handel mit ihren Organen, dass er (2.) mit seiner Stimme das grundlegende Menschenrecht der freien öffentlichen Religionsausübung gefährdet, dass er (3.) mit seiner Stimme der Ausschaltung der Katholiken aus öffentlichen Ämtern Vorschub leistet und dass er (4.) sich feige den Hassreden gegen die Katholiken beugt, etwa gegen die katholische Ehefrau Amy Coney Barett und Mutter von sieben Kindern als Kandidatin für den Supreme Court. Es soll dann keiner sagen dürfen, das habe er nicht gewollt, er hätte niemals geglaubt, dass es so schlimm kommen könnte, und dass er auf die Propaganda gegen „die religiöse Rechte“ in Amerika hereingefallen sei.
http://kath.net/news/73048
Natürlich liefert Müller keinen Beleg dafür, dass Joe Biden oder Kamela Harris den Handel mit Organen von Abtreibungsopfern erlauben wollen, dass sie das Grundrecht auf freie Religionsausübung einschränken oder dass sie Katholiken in öffentlichen Ämtern „ausschalten“ wollen. Woher auch?
Seine Behauptung, Biden befürworte die „gesetzliche Freigabe der Tötung der Kinder im Mutterleib bis zum 9. Monat und bei Missbildungen über die Geburt hinaus“ ist purer Unsinn. Müller hat sie von Trump übernommen – was ihren Wahrheitsgehalt nicht verbessert.
FaktCheck.org hat diese Behauptung ausführlich analysiert und widerlegt.
- Dass Donald Trump ein vehementer Verfechter der Todesstrafe ist,
- dass Donald Trump in diesem Jahr nach 17 Jahren erstmals wieder eine Hinrichtung auf Bundesebene anordnete,
- dass Donald Trump wenige Stunden nach Schüssen auf zwei Polizisten die „Todesstrafe im Schnellverfahren“ für den Täter forderte,
- dass Donald Trump die Polizisten verteidigte, die den Schwarzen George Floyd töteten,
- dass Donald Trump den (weißen) Todesschützen von Kenosha verteidigte, noch bevor der sich zu seinen Motiven äußerte,
- dass Donald Trump die „Black Life Matters“-Bewegung als „Anarchisten, Unruhestifter, Plünderer oder Gesindel“ („anarchists, agitators, looters or lowlifes“) beschimpfte,
- dass Donald Trump das Recht auf privaten Waffenbesitz unterstützt (durch den in den USA täglich über hundert Menschen ums Leben kommen – so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt),
- dass Donald Trump die Waffenlobby „National Rifle Association“ (NRA) unterstützt – und sich seinerseits von ihr mit 30 Millionen US$ finanzieren lässt,
… dürfte Müller bekannt sein – aber das übergeht er. Müller beruft sich zwar immer wieder auf die „Würde des Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod“ (Dignitas personae), aber der Schutz des Lebens scheint ihn – wie viele konservative Katholiken – ausschließlicht am Anfang des Lebens zu interessieren.
Dass Trump ein radikaler Gegner von Abtreibung (und homosexueller Ehe) ist – und Biden nicht – reicht für Kardinal Müller aus, um eine Wahlempfehlung auszusprechen, die sicher nicht im Interesse der Kirche ist.