Haben Sie den ersten Harry-Potter-Film gesehen? Dann erinnern Sie sich sicher, wie die Erstklässler den Levitationszauber üben: Professor Flitwick zeigt den Kindern, wie mit einer Schlenker-Bewegung des Zauberstabs („swish and flick!“) und dem Spruch „Wingardium Leviosa!“ eine Feder zum Schweben gebracht wird. Dabei muss man penibel auf den Wortlaut achten. Schon eine kleine Ungenauigkeit – wie beim elfjährigen Seamus Dean – kann dazu führen, dass die Feder mit viel Lärm, Qualm und Ruß explodiert.
Ähnlich empfindlich ist auch die liturgische Formel, damit eine Taufe gültig wird.
Auf katholisch.de, dem (übrigens sehr zu empfehlenden) Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland, wurden kürzlich mehrere Fälle genannt, bei denen die Kirche tausende Taufen für ungültig erklärt hat:
Das Bistum Phoenix im US-Bundesstaat Arizona sucht nach Menschen, die seit 2005 von einem Priester mit einer ungültigen Taufformel getauft wurden. Der Fernsehsender “Telemundo Arizona” berichtete am Dienstag von mutmaßlich Tausenden von Betroffenen, die der Priester Andrés Arango seit 2005 mit der Formel “Wir taufen dich” statt wie vorgeschrieben “Ich taufe dich” getauft hat und so die Taufe nicht gültig gespendet hat. Die Ungültigkeit der Taufen hat Auswirkungen auf die Gültigkeit des Empfangs weiterer Sakramente durch die Betroffenen. Das Bistum ruft nun Betroffene auf, sich zu melden, um nötige Schritte wie eine gültige Taufe oder eine Überprüfung von Ehen vorzunehmen.
https://www.katholisch.de/artikel/32981-wegen-falscher-formel-tausende-taufen-ungueltig
Noch krasser ist der folgende Fall:
Der Pfarrer Matthew Hood aus dem Erzbistum Detroit hatte kürzlich ein Video seiner eigenen Taufe gesehen und dabei festgestellt, dass der Diakon ebenfalls die unzulässige Taufformel „Wir taufen dich…“ verwendet hatte:
Hood habe sofort sein Bistum kontaktiert, als er seine ungültige Taufe bemerkte. Da er ohne gültige Taufe auch die anderen Sakramente nicht gültig empfangen konnte, waren auch seine Firmung, Diakonen- und Priesterweihe nichtig. Nachdem die Ungültigkeit festgestellt worden war, wurden Hood Taufe, Erstkommunion und Firmung gültig gespendet. Nach Exerzitien wurde er am vergangenen Montag zum Diakon und anschließend zum Priester geweiht.
https://www.katholisch.de/artikel/26628-ungueltige-taufe-priester-musste-neu-geweiht-werden
Sakramente ungültig
Weil Mathew Hood nicht gültig getauft war, waren auch seine Firmung, die Diakonen- und Priesterweihe ungültig, ebenso alle Eucharistiefeiern, Beichten und Krankensalbungen, die er vorgenommen hat; bei von ihm assistierten Ehespendungen soll die Gültigkeit im Einzelfall überprüft werden.[1]
Nun hätte man auch davon ausgehen können, dass die Taufe mit falscher Formel zwar nicht erlaubt, aber trotzdem gültig ist.[2]
Aber nein! Die Glaubenskongregation – bestätigt durch Papst Franziskus – hat in einer „klärenden Note“ bestätigt, dass die Taufe ungültig sei, wenn sie nicht „in forma absoluta“ vollzogen wurde.
Logisch? Nein, katholisch!
Für mich ist die Einstellung der Kirche – wieder einmal – völlig unverständlich:
- Der Missionsauftrag Jesu an die Jünger lautete: „Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Einen bestimmten Wortlauf oder eine bestimmte Liturgie schrieb Jesus nicht vor.
- Das Argument der Glaubenskongregation an, das Personalpronomen „ich“ weise darauf hin, dass der Taufspender nicht im eigenen Namen, sondern im Namen Jesu Christi handelt, überzeugt mich nicht: Auch in der Form „wir“ erfolgt die Taufe „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“.
- Dass der Taufspender in persona Christi handeln soll, ist Mt 28,19 nicht zu entnehmen. Jesus (der selbst nie getauft hat), sagte nicht, dass er die Menschen folgender Generationen durch die Hand der Apostel taufen werde, sondern gab den Auftrag, dass sie taufen sollen.
- Jesus fordert die Gemeinschaft seiner Jünger auf, die Menschen zu taufen: „Tauft!“ (Vokativ, zweite Person Plural.) Die Formulierung der Taufspender „Wir taufen dich…“ ist also völlig korrekt.
Die Einstellung des Zelebranten interessiert nicht
Ein anderes katholisches Prinzip ist in diesem Zusammenhang ebenfalls interessant. Die Spendung der Sakramente geschieht ex opere operato, also allein „durch die vollzogene Handlung“ – unabhängig von der Einstellung dessen, der sie vollzieht, und ebenso unabhängig von der Einstellung der Person, an der sie vollzogen wird.[3]
Das bedeutet: Es spielt überhaupt keine Rolle, ob der fromme und vorbildlich lebende Priester mit bestem Wissen und Gewissen handelt, ob er an die Wirksamkeit der sakramentellen Handlung glaubt und ob er für den Empfänger des Sakraments nur das Beste will – sie bleibt unwirksam, wenn die „vollzogene Handlung“ nicht korrekt ist. Dagegen spendet ein bekiffter Priester, der öffentlich verkündet, nicht an Gott zu glauben, und der gerade aus dem Bordell kommt (oder einen Ministranten missbraucht hat), gültige und wirksame Sakramente. Hauptsache, er macht das „in forma absoluta“.
(Nicht zu fassen, ist aber wirklich so.)
Sorry, da komme ich nicht mehr mit…
Da ist selbst der Heilige Geist machtlos…
Die Taufformel scheint wirklich ein Zauberspruch zu sein, der fehlerfrei aufgesagt werden muss, um den Heiligen Geist auf den Täufling herabzuzwingen. Dass der Geist „weht, wo ER will“ (Joh 3,8), ist im Vatikan offensichtlich in Vergessenheit geraten.
Düstere Aussichten für die Ökumene
Ein weiterer Aspekt: In der „Magdeburger Erklärung“ erklärten 2007 elf Kirchen, ihre Taufen gegenseitig anzuerkennen.[4]
Darin heißt es (Hervorhebung durch mich):
[…] Deshalb erkennen wir jede nach dem Auftrag Jesu im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser vollzogene Taufe an und freuen uns über jeden Menschen, der getauft wird. Diese wechselseitige Anerkennung der Taufe ist Ausdruck des in Jesus Christus gründenden Bandes der Einheit (Epheser 4,4–6). Die so vollzogene Taufe ist einmalig und unwiederholbar. […]
„Magdeburger Erklärung“
Hier wird keine bestimmte Taufformel vorgeschrieben. Die Taufe muss nur „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ erfolgen.
Aber wenn schon innerhalb der katholischen Kirche zwei geänderte Worte die Gültigkeit der Taufe zunichte machen, wie wird sie reagieren, wenn sie erfährt, dass protestantische Kirchen[5], abweichende Taufformeln verwenden? Es ist nicht davon auszugehen, dass die Glaubenskongregation Taufformeln anderer Konfessionen anerkennt, die sie in den eigenen Reihen strikt verbietet.
Was hat die Kirche aus unserem Gott gemacht?
Früher war Gott allmächtig,
heute kann er nicht einmal selbst entscheiden,
wem er seinen Geist sendet.
Früher war Gott nichts unmöglich (Mt 19,26),
heute scheitert sein Sakrament
schon an einem falschen Personalpronomen.
Früher wehte der Geist, wo er will (Joh 3,8),
heute nur dort, wo es die Glaubenskongregation erlaubt …
Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.
Paulus, 2. Brief an die Korinther
- Nach meinem Verständnis ist letzteres überflüssig, denn nach katholischem Verständnis spendet nicht der Priester das Ehesakrament, das spenden sich die Eheleute gegenseitig.↵
- Das ist zum Beispiel der Fall bei den Priester- und Bischofsweihen der Piusbruderschaft: die Weihen sind zwar unter Androhung der Exkommunikation verboten, aber die römisch-katholische Kirche hat sie stets anerkannt.↵
- Meines Wissens gibt es kein Jesus-Wort, das das ex opere operato begründen könnte↵
- Es gab allerdings schon früher einzelne regionale Vereinbarungen zwischen Gliedkirchen der EKD und römisch-katholischen Diözesen zur wechselseitigen Anerkennung der Taufe.↵
- … die (laut Benedikt XVI.) nicht einmal „Kirche im eigentlichen Sinn“, sondern nur „Gemeinschaften“ sind↵
Lieber Klaus, ich bin verunsichert, da ich meine Tochter gemeinsam mit meinem Mann selbst getauft habe, bin ich nicht mehr sicher, ob ich ich oder wir gesagt habe. Ich hoffe die nachfolgende Zeremonie, als Franziska wieder gesund und munter war hat alle eventuellen Fehler wieder aufgebügelt. Franziska geht es jedenfalls bis heute gut!
“Dagegen spendet ein bekiffter Priester, der öffentlich verkündet, nicht an Gott zu glauben, und der gerade aus dem Bordell kommt (oder einen Ministranten missbraucht hat), gültige und wirksame Sakramente. Hauptsache, er macht das „in forma absoluta“.
(Nicht zu fassen, ist aber wirklich so.)”
Nicht zu fassen wäre, wenn es anders herum wäre: Man stelle sich vor, die Gültigkeit dieser heilsnotwendigen Handlung hinge davon ab, ob der Soender fromm und anständig ist. Das wäre ja verrückt ! Der Empfänger hätte niemals Grund, sicher auf die gültige und wirksame Spendung vertrauen zu können. Sein Heil hinge am äußerst dünnen Faden der priesterlichen Tugendhaftigkeit. Das kann ein Gott, der unser Heil will, niemals gewollt haben.
Sie schreiben mit Bezug auf meinen Hinweis zum kirchlichen Prinzips „in forma absoluta“:
„Das kann ein Gott, der unser Heil will, niemals gewollt haben.“
Meinen Sie denn, Gott habe es gewollt, dass (wie oben berichtet) wegen eines Formfehlers tausende Katholiken in Arizona plötzlich ungetauft sind?
Vermutlich kennen Sie die vier Gültigkeitsbedingungen:
1) Richtige Form (Ich taufe Dich im Namen des Vaters,des …)
2) Richtige Materie (bei Taufe: Wasser, aber kein Meerwasser)
3) Richtige Intention des Spenders (tun wollen, was die Kirche tut)
4) Richtige Dispostion des Spenders (bei Taufe: potenzielll jeder Einzelmensch).
Natürlich empfängt auch ein auf dem Weg zum Taufbrunnen versterbender Mensch die Taufgnade, aber die betroffenen Sakramente im von Ihnen beschriebenen Fall sub conditione nachzuspenden, ist doch pastoral verantwortungsbewusster als sich auf die theologische Überzeugung der Begierdetaufe zu berufen.
Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass Jesus keine bestimmte „Form“ für die Taufe vorgeschrieben hat. Auch die „richtige Materie“ hat er nichts definiert. Und „Intention“ und „Disposition“ des Spenders stellen Sie doch in den genannten Fällen nicht in Frage, oder? Trotzdem den Menschen nachträglich die Taufe abzusprechen, halte ich NICHT für „pastoral verantwortungsbewusst“ – sondern für einen krassen Fall von Paragraphen- und Gesetzesgläubigkeit, die Jesus ausdrücklich kritisiert hat.
A propos „kein Meerwasser“: Die evanglische Kirche tauft auch in der Ostsee. Eigentlich werden die Taufen der großen christlichen Kirchen untereinander anerkannt (auch das hatte ich geschrieben), aber Ihrer Meinung nach sind Taufen im Meer dann – aus katholischer Sicht – wohl ungültig…
Meerwasser ist wohl ungültig, weil es nicht lebensspendend ist (für Landlebenwesen zumindest). Wohl auch wegen des Schriftwortes vom Mühlstein, den man um den Hals bindet, um den Gebundenen zu seinem Wohle im Meere zu ersäufen.
Dass Christus niemanden beauftragt hätte, über die Gültigkeit der Sakramentsspendung zu wachen (warum sonst hat er eine apostolische Kirche gebaut) und eine Sakramentsdisziplin zu wahren (Perlen nicht vor Säue …), wäre mir neu.