Offener Brief an Pfarrer Peter Moskopf •
Am 28. Juni 2014 erschien in den Lübecker Nachrichten in der Rubrik Wort zum Sonntag ein Beitrag des katholischen Pfarrers Peter Moskopf aus Lübeck zu den Themen Ehescheidung und Homosexualität. Den wollte ich so nicht stehen lassen. Den folgenden Brief hatte ihm am 4. Juli geschickt. Eine Antwort habe ich bisher leider nicht bekommen.
Sehr geehrter Pfarrer Moskopf,
ich habe Ihr „Wort zum Sonntag“ in den LN vom vergangenen Sonntag gelesen.
Dazu habe ich einige Anmerkungen.
Sie schreiben:
„Die Kirche steht auf dem Fundament der Apostel Petrus und Paulus. Aber stehen wir noch immer auf dem Fundament dieser ersten Nachfolger unseres Herrn Jesus Christus? Wo diese doch zum Beispiel eine damals verbreitete Homosexualität aufs Schärfste verurteilt und Ehescheidungen abgelehnt haben.“[1]
Zugegeben: Paulus hat an einigen Stellen gegen Homosexualität gewettert (z.B. 1 Kor 6,9), aber er war auch der Meinung, dass die Frauen in der Versammlung schweigen sollen (1 Kor 14,34). Dies lehnt die Kirche inzwischen als „zeitbedingt oder sogar falsch“ ab – warum soll jenes unfehlbare und ewig gültige Wahrheit sein?
Mein Glaube gründet nicht auf Petrus und Paulus, sondern auf Jesus Christus. Und ich denke, das sollte auch für die katholische Kirche gelten. Von Jesus ist mir keine Aussage über Homosexualität bekannt. (Aber vielleicht habe ich nicht aufmerksam gelesen…)
Und seine Betonung der Unauflösbarkeit der Ehe kann man auch anders interpretieren: Im alten Judentum war es für den Mann (!) sehr einfach, die Ehe zu scheiden. Es reichte, wenn er an seiner Ehefrau etwas „Anstößiges“ gefunden hatte. Für den Rabbiner Hillel war das schon der Fall, wenn ihr das Essen angebrannt war (nach Philon und Josephus war das gängige Praxis). Dann konnte er ihr den „Scheidebrief“ ausstellen. Die Frau war dem Mann gegenüber völlig macht- und mittellos.
Mit dem Verbot der Ehescheidung schuf Jesus also keine Fesseln für Eheleute, deren Beziehung gescheitert ist, sondern schützte in erster Linie die Frau, die nun nicht mehr einfach aus dem Haus gejagt werden konnte. Aber diesen Schutz brauchen die Frauen heute nicht mehr.
Übrigens: Die heutige katholische Kirche hat – im Gegensatz zu Mk 10,9! – recht wenig gegen die Scheidung einzuwenden. Eine standesamtliche Scheidung ist der Kirche sogar ziemlich egal. („Sehr bedauerlich, wirklich, aber damit können wir leben…“) Wahrscheinlich glaubt die Kirche, dass das göttliche Band der Ehe eine standesamtliche Scheidung rein und unversehrt übersteht, auch dann, wenn das Paar seit 20 Jahren getrennt lebt, nicht mehr miteinander spricht, wenn die Frau jahrelang fremd gegangen ist oder der Mann Frau und Kinder regelmäßig verprügelt hat. Erst wenn jemand erneut heiratet, dann ist „die Hölle los“.
Ich will die Trauung nicht zu einem „Lebensabschnitts-Segen“ degradieren, aber ich kann nicht nachvollziehen, warum es Jesu Wille sein soll, wenn ein Paar, das sich zu Beginn ehrlich geliebt hat, später aber – aus welchen Gründen auch immer – auseinandergelebt hat und nun nicht mehr friedlich zusammenleben kann, trotzdem aneinander gebunden sein soll und nie wieder eine Beziehung eingehen darf. Das passt nicht zu Jesus, der sich ganz besonders der Gescheiterten angenommen hat.
Warum konzentrieren Sie (und viele andere Vertreter der Amtskirche) sich so sehr auf die Themen Homosexualität und Ehescheidungen? Wie ich schon sagte: Dazu gibt es von Jesus wenige oder gar keine eindeutigen Aussagen. In anderen Fällen waren Jesus und Paulus sehr viel eindeutiger. Zum Beispiel kritisierten sie immer wieder die Habgier (Mk 7,22; Lk 12,15; Röm 1,29; 1 Kor 5,10; Eph 5,3; 1 Thess 2,5 u.a.), warnte vor ungerechtem Reichtum (z.B. Mt 13,22; Mt 19,23; Mk 4,19; Lk 16,11; Lk 16,19; Lk 18,25) und dem Streben nach materiellen Gütern (Mt 10,9; Mk 6,8; Mk 10,21; Lk 7,22; Lk 12,33 u.a.). Diese Themen waren Jesus und Paulus offensichtlich wichtiger.
Wäre es da nicht naheliegender,
- die Selbstbedienungsmentalität mancher Politiker,
- die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich (auch hierzulande),
- die niedrigen Steuersätze für Spitzenverdiener,
- die Prunksucht mancher Bischöfe,
- das Streben nach Statussymbolen (schon bei Kindern!),
- Lohndumping,
- Steuerhinterziehung und
- die Geiz-ist-Geil-Mentalität der Gesellschaft anzuprangern?
Aber die Kirche überlässt diese Themen lieber den Gewerkschaften, den Sozialverbänden und den linken Parteien. Die Kirche hält sie offensichtlich für unwichtiger als die Themen Homosexualität und Ehescheidung.
Sie schreiben:
„Dazu kommen die Fragen notwendiger Sündenvergebung, regelmäßiger Teilnahme am Gottesdienst und vieles andere, was unsere Zeit von den Aposteln sehr weit zu trennen scheint.“
Zur Sündenvergebung:
- Ich nehme an, dass Sie damit das Beichtsakrament meinen. Mir ist keine Stelle in der Bibel bekannt, die man als Pflicht oder auch nur Appell zur (regelmäßigen) Beichte interpretieren könnte. Im Gegenteil: Nirgendwo dort, wo Jesus zu jemandem die Worte “Deine Sünden sind dir vergeben” spricht (Mt 9,2; Mk 2,5; Lk 5,20; Lk 7,48), haben die Angesprochenen zuvor ihre Sünden bekannt. Jesus vergab die Sünden nicht als „Belohnung“ für eingestandene Schuld, sondern als Antwort auf den Glauben: „Dein Glaube hat dir geholfen“. (Mt 9,22, Mk 10,52; Lk 7,50; Lk 8,48; Lk 17,19; Lk 18,42.[2])
- Wir sprechen in jeder Eucharistiefeier das Sündenbekenntnis und bekommen vom Priester die Vergebung zugesprochen. Ist das eine „Sündenvergebung zweiter Klasse“?
- Nebenbei bemerkt: Gefährlich und unmoralisch finde ich es, wenn es Gläubigen wichtiger ist, sich vom Priester die Vergebung zusprechen lassen, als begangenes Unrecht selbst gut zu machen (oder es wenigstens zu versuchen).
Zur regelmäßigen Teilnahme am Gottesdienst:
- Gott hat uns eingeladen, nicht vorgeladen.
- Er sagte: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ und nicht: „Tut dies an jedem Sonn- und kirchlichen Feiertag zu meinem Gedächtnis“.
- Er sagte auch nicht: „Wer meine Einladung nicht annimmt, begeht eine schwere Sünde“ (so wie es die katholische Kirche lehrt, siehe KKK 2181).
- Er sagte auch nicht, dass diese Feier zu seinem Gedächtnis nur gültig ist, wenn sie von einem römisch-katholischen, in der apostolischen Sukzession stehenden männlichen Priester zelebriert wird. Und er sagte nicht, dass er im Brot und Wein nicht leibhaftig anwesend ist, wenn die Epiklese von einem lutherischen, anglikanischen oder altkatholischen Geistlichen gesprochen wird (oder von einer Geistlichen).
- Wenn 90 Prozent der Katholiken von der üblichen Form, die Eucharistie zu feiern, nicht mehr angesprochen werden (denn so viele gehen nicht zum Gottesdienst), sollte sich die Kirche Gedanken machen, ob sie nicht mit einer anderen Form die Herzen der Menschen nicht besser erreichen kann – statt auf die „Sonntagspflicht“ zu pochen und penibel auch die kleinsten Nebensächlichkeiten der Liturgie zu reglementieren (z.B. die Art, wie der Priester Albe und Zingulum anzulegen hat – siehe Redemptionis sacramentum).
- Denn: Gott braucht keine Gottesdienste. Die Menschen brauchen sie.
Sie schreiben:
„Alles, was diese [die Apostel] als falsch und verwerflich betrachtet haben, verwirft auch heute unsere Kirche.“
Das stimmt natürlich nicht.
- 1 Kor 14,34: „Die Frauen sollen in der Versammlung schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden.“ Die Frauen gelten zwar immer noch als „unweihbar“, müssen in der Versammlung aber nicht schweigen: Im Bistum Würzburg sind inzwischen zwei Drittel der PGR-Mitglieder Frauen. Mit Einverständnis der Kirche.
- 1 Kor 11,5: „Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt.“ Gut, dass die Frauen heute auch „unverhüllt“ beten dürfen.
- 1 Tim 2,12: „Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht.“ Nicht nur im Religionsunterricht, in der Kinderkatechese und in der Firmvorbereitung sind Frauen tätig; sie haben sogar Lehraufträge an katholischen Universitäten.
- Mt 23,9: „Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ Trotzdem lässt sich der Papst nicht nur “Vater”, sondern sogar „Heiliger Vater“ nennen…
Um diese Dinge, die die Apostel Matthäus und Paulus als falsch und verwerflich bezeichnet haben, kümmert sich die katholische Kirche heute nicht mehr.
Noch eine Bemerkung zur Homosexualität:
Die Kirche verurteilt nicht mehr die Homosexualität an sich (weil sie offensichtlich eingesehen hat, dass man sich die sexuelle Ausrichtung nicht aussuchen kann wie ein Paar Schuhe) und erst recht nicht die Homosexuellen – sondern ausschließlich homosexuelle Handlungen. Im Gegenteil: Sie fordert die Katholiken sogar auf, „ihren homosexuellen Brüdern und Schwestern beizustehen, ohne sie zu enttäuschen oder in die Isolation zu treiben“ – siehe auch KKK 2358. Leider haben manche Bischöfe den Katechismus nicht richtig gelesen:
- So warb Weihbischof Andreas Laun für die „Heilung“ von Homosexualität (als handele es sich um eine Krankheit).
- Bischof Vitus Huonder schlug vor, dass Homosexuelle bei der Kommunion statt der Hostie nur einen Segen erhalten sollen.
- Erzbischof Ludwig Schick rief (im Zusammenhang mit dem Coming-out des früheren Nationalspielers Thomas Hitzlsperger) dazu auf, Sünden und Schwächen durch Buße in Ordnung zu bringen und nicht durch ein öffentliches Coming-out.
- Bischof Heinz Josef Algermissen bezeichnet die Hetero-Ehe als das „Normale und Gesunde“ – wodurch er die Homo-Ehe indirekt als abnormal und krank bezeichnet.
- Bischof Egon Kapellari hob das Predigtverbot gegen Pfarrer Karl Tropper auf, der in Predigten Homosexuelle als „Homo-gestört“ und „pervers“ bezeichnete und von einem „Zusammenhang zwischen homosexueller Praktiken und Kinderschändung“ sprach. (Tropper bezeichnete außerdem den Islam als „rassistisch“, als „das Widerwärtigste“ und setzte aus der Kirche ausgetretene Katholiken mit „Verbrechern wie Hitler, Stalin und Goebbels“ gleich. Auch das hatte für ihn keine Konsequenzen…)
- Erzbischof Dominique Mamberti (vatikanischer „Außenminister“) kritisierte die Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zum Diskriminierungsschutz von Schwulen und Lesben – womit er indirekt für ein Recht auf Diskriminierung plädiert.
- Bischof Klaus Küng sprach sich gegen schwule Priester aus: „Zölibat bedeutet den Verzicht auf Ehe und setzt eine heterosexuelle Geneigtheit voraus“, daher sei Homosexualität ein „Weihehindernis“. Daraus schließe ich, dass heterosexuelle Enthaltsamkeit etwas anderes als homosexuelle Enthaltsamkeit ist.
- Bischof Elmar Fischer behauptete (vor seiner Bischofsweihe), 28 Prozent der Schwulen hätten mehr als 1.000 Sexualpartner und verrichteten „dramatische Sexualpraktiken“. Homosexuelle seien „mindestens siebenmal öfter pädophil“ als Heteros und zeigten auch eher „gewisse geistige Störungen” als „Normale“. Später bedauerte Fischer, dass sein Schreiben „wider meine Intentionen“ Betroffene und deren Angehörige „verletzt“ habe. (Entschuldigt hat er sich meines Wissens nicht.) Als Bischof erklärte er, dass Homosexualität genauso als „psychische Krankheit“ wie Alkoholismus einzustufen und deshalb heilbar sei. (Manchmal schäme ich mich, katholisch zu sein…)
Wenn sich mal wieder ein Politiker für die gleichgeschlechtliche (standesamtliche!) Ehe einsetzt, dann gebärdet sich die katholische Kirche, als stünde der Antichrist vor der Tür und die zivilisierte Welt am Abgrund. Wenn aber katholische Bischöfe solchen Unsinn von sich geben, dann schweigen ihre Amtsbrüder. Ich wünsche mir von meiner Kirche, dass sie den Mut hat, gegen Dummheit, Arroganz und Diskriminierung auch dann vorzugehen, wenn sie aus den eigenen Reihen kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Kegebein
- Das in den Lübecker Nachrichten vom 28. Juni 2014 erschienene „Wort zum Sonntag“ im Volltext:
Das Fundament
.….Die Kirche steht auf dem Fundament der Apostel Petrus und Paulus. Aber stehen wir noch immer auf dem Fundament dieser ersten Nachfolger unseres Herrn Jesus Christus? Wo diese doch zum Beispiel eine damals verbreitete Homosexualität aufs Schärfste verurteilt und Ehescheidungen abgelehnt haben.
.….Beides wird heute in großen Teilen der Christenheit vielfach als nur zeitbedingt oder sogar als falsch betrachtet. Dazu kommen die Fragen notwendiger Sündenvergebung, regelmäßiger Teilnahme am Gottesdienst und vieles andere, was unsere Zeit von den Aposteln sehr weit zu trennen scheint.
.….Selbstverständlich steht die Kirche auf dem Fundament der Apostel. Alles, was diese als verwerflich betrachtet haben, verwirft auch heute unsere Kirche. In der Praxis beurteilen jedoch viele Christen ihre Christlichkeit eher nach dem Gefühl als nach dem Wertmaßstab der Apostel.
.….Aber Hand aufs Herz: Wer die Maßstäbe seiner Apostel als ungültig ansieht, wird nicht ernsthaft glauben wollen, dass Christus Gottes Sohn und darum der Herr und Maßstab des Lebens ist. Nur wo die Werte der Apostel – und das sind bis heute die Werte der Kirche – als notwendig erkannt werden, kann man zugleich Christus als Gott erkennen und sich als Christ bezeichnen.
.….Ich werbe für diesen Weg der Kirche. Ich glaube, dass man nur glücklich wird, wo man sich an die Werte der Apostel hält. Das klingt vielleicht unmodern. Ist aber sehr entlastend. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, heißt es in einem Kirchenlied. Darum freue ich mich am Fundament der Apostel Petrus und Paulus, auf dem mein Kirche lebt, und bemühe mich, alles zu halten, was sie mir als wirklich apostolisch und christlich zeigt.↵ - Bei den zuletzt genannten Versen handelt es sich nicht immer um Fälle von Sündenvergebung, sondern auch um Heilungswunder. Weil aber im Judentum Krankheiten und Behinderungen als Folge von Sünden angesehen wurden, passen diese Verse m.E. dennoch.↵
Ich schlage Ihnen vor, eine eigene Kirche/ Glaubensgemeinschaft zu gründen oder zu den Evangelen zu gehen? Dort gehört schon sowieso, aus der Sicht uns Katholiken aus dem Süden und Osten Europa, der Großteil der Deutschen Katholiken hin. Biegt ihr dann Gotteswort wie ihr wollt! Von euch möchten wir uns nicht bekehren und belehren lassen! Die Deutschen haben leider in der Geschichte oft „ die Leuchte der Welt „ sein wollen, wie der Kardinal Bätzing sich es vorstellt. Gefragt hat er uns, aber nicht. Bei uns wird an unzähligen Stellen in den Kirchen von den Kanzeln gewarnt, die Novizen und Priester, nicht zum Studium nach Deutschland zu schicken! Denken Sie bloß warum wohl..?! Im übrigen wird die Begründung, selbstverständlich von der Kanzel mitgeteilt…
Ich bin römisch-katholisch. Ich gehöre zu dieser Kirche. Warum soll ich sie verlassen? Weil SIE meine Einstellungen nicht teilen? Würden Sie Ihre Familie verlassen, wenn ein anderes Familienmitglied Ihre Einstellungen nicht teilt?
Schade, dass Sie auf keines meiner Argumente im Brief an Pastor Moskopf eingegangen sind.