Die vatikanische Liturgie-Instruktion „Redemptionis sacramentum“ (2004) regelt sehr genau, wie die Eucharistie zu feiern ist. Es ist merkwürdig, dass viele Regelungen dem widersprechen, was Jesus den Aposteln mit den Worten „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ aufgetragen hat.
Das, was Jesus und die Jünger taten, waren offensichtlich „Missbräuche“, die „zur Verdunkelung des rechten Glaubens“ beigetragen haben [6] – denn Maßstab für die Feier der Liturgie ist nicht, wie Jesus das Abendmahl feierte, sondern „wie sie die Kirche gewollt und festgesetzt hat“ [12].
Das letzte Abendmahl wäre wahrscheinlich anders verlaufen, wenn damals ein Vertreter des Vatikans anwesend gewesen wäre, wie die folgende Geschichte zeigt …
(Die Zahlen in eckigen Klammern geben die betreffenden Abschnitte der Liturgie-Instruktion an; Sie finden sie am Ende dieses Textes.)
Es geschah alles, wie Jesus es gesagt hatte: Die beiden Jünger, die er nach Jerusalem schickte, fanden den Mann, der ihnen für das Paschafest einen großen Raum im Obergeschoss anbot, hergerichtet für das Festmahl und mit Polstern ausgestattet (Mk 14,13). Jakobus wollte gerade mit einem Handschlag den Mietvertrag besiegeln, als sich ein schmächtiges Männlein in Soutane zwischen sie drängelte.
„Tut mir leid“, entschuldigte sich der Priester, „aber hier können Sie das Abendmahl leider nicht feiern. Gestatten? Pater Pius. Ich vertrete die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und habe dafür zu sorgen, dass die Würde des heiligen Geschehens gewahrt bleibt.“
Die Jünger starrten ihn sprachlos an.
„Nun ja“, fuhr der Priester fort, „die vom Heiligen Stuhl approbierte und promulgierte Liturgie-Instruktion schreibt eindeutig vor, dass das nur an einem geheiligten Ort geschehen darf. Und damit ist in erster Linie eine Kirche, eine Kapelle oder etwas Vergleichbares gemeint.“ [108]
Jakobus antwortete spöttisch: „Kirchen werden aber frühestens in hundert Jahren gebaut! Müssen wir uns so lange gedulden – oder schlagen Sie vor, das Sedermahl im Tempel von Jerusalem zu feiern? Ich glaube, das wäre keine gute Idee …“
Das Argument schien dem Priester einzuleuchten. „Damit mögen Sie recht haben. Aber dann feiern Sie das Paschafest wenigstens in einem anderen Raum. Dies ist ein Speisesaal, hier steht ein Esstisch, und heute abend werden Speisen aufgetragen! Hier steht aber unmissverständlich“ – er wedelte mit einem Stapel eng beschriebener Seiten – „dass das Heilige Abendmahl in keiner Weise in den Kontext eines gemeinsamen Mahles gebracht werden darf!“ [77]
Die beiden Jünger brachen in schallendes Gelächter aus. „Der war gut! Ein Abendmahl, das nicht im Kontext eines Mahles stattfindet, hehe!“ Sie wischten sich kichernd Lachtränen aus den Augen.
Der Priester fand das gar nicht komisch. „Ihr Einwand ist durchaus berechtigt.“ Er blätterte hastig in der mitgebrachten Instruktion. Dann erhellte sich sein Gesicht: „Ich denke, in diesem Fall kann ich eine Ausnahme machen. Hier ist die Rede von zwingenden Umständen und einer schweren Notlage. [77] Angesichts dessen, was in dieser Nacht noch alles geschehen wird, sind diese Bedingungen sicher erfüllt …“
Er klopfte dem Hausbesitzer freundlich auf die Schulter und ging die Treppe hinauf. Die beiden Jünger folgten ihm kopfschüttelnd, um das Paschamahl vorzubereiten, wobei sie den Mann in Soutane, der sich schweigend in eine Ecke setzte, misstrauisch beäugten.
Als es Abend wurde, kam Jesus mit den Zwölf. „Wie ich sehe, ist alles bereit. Sehr schön. So kommt zu Tisch!“
In diesem Moment trat der Geistliche heran und fiel demütig vor Jesus auf die Knie. „Herr und unbesiegbarer Gebieter, ewiger Priester und König der ganzen Welt –!“, setzte er mit gesenktem Haupt an, doch Jesus unterbrach ihn.
„Geschenkt! Wer bist du und was willst du?“
„Ich bin Pater Pius, Vertreter der Kirche, die du auf dem Felsengrund deines Dieners Petrus erbaut hast …“
Jesus zog die Brauen hoch. „Ach, habe ich das?“
„… und bin dazu berufen, die Gültigkeit und Würde der Allerheiligsten Eucharistie zu schützen, die du, o Herr, in deiner unendlichen Weisheit und Güte…“
„Schon klar. Und wo ist nun das Problem?“
„Der Tisch, Meister!“ Der Priester lächelte verlegen. „Diejenigen, die an einer Messe teilnehmen, dürfen während der Feier nicht an Tischen sitzen. So steht es in den Vorschriften.“ [77]
Jesus schaute ihn schweigend an. Der Priester schien unter diesem Blick zu schrumpfen. „Ich könnte allerdings auch hier zwingende Umstände geltend machen…“, murmelte er kaum hörbar.
„Das wäre eine gute Idee“, flüsterte Jesus. Laut wiederholte er: „So kommt zu Tisch!“, wobei er das letzte Wort auffällig betonte.
Die Jünger traten hinzu und nahmen Platz. Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, wollte sich wie üblich an seine Seite setzen, aber der Priester drängelte sich mit einem entschuldigenden Lächeln zwischen die beiden.
Jesus sah ihn erstaunt an. „Weißt du, ich wollte eigentlich mit den Freunden, die mich die letzten Jahre begleitet haben, ein letztes Mal gemeinsam speisen.“
„Verstehe“, sagte der Priester und kramte aus der Tasche seiner Soutane ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor. „Aber das hat alles seine Richtigkeit. Hier ist das Schreiben meines Ordinarius, das es mir jederzeit und überall erlaubt, als Konzelebrant an der Eucharistiefeier teilzunehmen, selbst dort, wo man mich nicht kennt.“ [111]
Jesus seufzte. Petrus fragte leise: „Sollen wir ihn vor die Tür setzen, Herr?“ Jesus flüsterte zurück: „Nein, nein, das geht schon in Ordnung. Wenn wir mit einem Verräter an unserem Tisch zurecht kommen, sollte ein katholischer Geistlicher kein besonderes Problem darstellen.“
Petrus starrte Jesus besorgt an. „Verräter?“
„Oh, das spielt jetzt keine Rolle“, antwortete Jesus hastig, „dazu komme ich später noch…“ Dann eröffnete er das Mahl mit der Lesung aus der Haggada.
Und Jesus nahm das Brot und sprach das Dankgebet. Er geriet dabei etwas aus dem Konzept, weil das Priesterlein mit dem sichtlich verärgerten Johannes tuschelte. „Stimmt etwas nicht, Hochwürden?“ fragte Jesus.
Pater Pius räusperte sich verlegen und sagte: „Ich habe nur gerade den jungen Mann hier gefragt, ob das Brot wirklich aus Weizenmehl gebacken wurde, wie es die Liturgieinstruktion fordert.“ [48]
„Weizen, Roggen, Gerste, Hafer oder Dinkel – spielt das eine Rolle?“ knurrte Johannes, „Alles koschere Bestandteile des Sederbrotes gemäß der Halacha!“
Der Geistliche sagte nichts, machte aber mit zusammengekniffenen Mund einen Vermerk in seinen Unterlagen. Dadurch übersah er fast, dass Jesus das Brot brach. Er hob noch warnend die Hand, aber das war das Unglück bereits geschehen. Und er fügte seinen Unterlagen mit grimmiger Miene hinzu: „Brot gebr. obw. ausdrückl. verboten!!!“ [55]
„Nehmt und esst, das ist mein Leib“, sagte Jesus und reichte Pater Pius den Teller mit dem Brot. Der Geistliche saß aber mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen da und rührte sich nicht.
„Nimm und iss!“, ermunterte ihn Jesus freundlich.
Überrascht schaute Pater Pius auf. „Entschuldigung, … äh … ich dachte, weil die Gläubigen doch erst essen dürfen, nachdem der Zelebrant kommuniziert hat …“ [88, 97]
„Das musst du falsch verstanden haben“, meinte Jesus, „Das Sedermahl ist ein gemeinschaftliches Mahl; natürlich essen wir gemeinsam!“
Der Geistliche schaute Jesus mit zweifelnder Miene an. Dann legte er seinen Kopf in den Nacken, öffnete den Mund und streckte die Zunge ein wenig heraus – schloss den Mund aber wieder, als er von Johannes einen Stoß in die Rippen bekam.
„Nun nimm schon!“, flüsterte Johannes und deutete auf die Brotschale, die Jesus ihm hinhielt.
„Was denn, keine Mundkommunion?“ Verdutzt nahm sich der Priester ein Brotstück und reichte den Teller schnell weiter. Damit bringe ich die Gültigkeit und die Würde der heiligsten Eucharistie in Gefahr! dachte er entsetzt bei sich. [94, 173]
Dann nahm Jesus den Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: „Nehmt den Wein und verteilt ihn untereinander!“
Doch nun richtete sich der Priester richtete empört auf. „Nein, Einspruch! Das kann ich nicht zulassen! Es sollte doch bekannt sein, dass es den Gläubigen streng verboten ist, das Brot oder den Kelch selbst zu nehmen oder weiterzugeben! [94] Außerdem habe ich nicht gesehen, dass du, Herr und Gebieter, dem Wein ein wenig Wasser beigemischt hast, wie es Vorschrift ist!“ [50] Er konnte sich jetzt nicht mehr bremsen: „Ist der Wein überhaupt naturrein? Sind Echtheit und Herkunft des Weins geklärt? Und ist er auch ausreichend vergoren, so dass es sich wirklich um Wein handelt? Denn Traubensaft wäre selbstverständlich keine gültige Materie! Wir Gläubigen haben das Recht auf eine wahre Liturgie, wie sie durch Gesetze und Normen vorgeschrieben ist! [12] Mir fiel vorhin schon auf …“
Jesus holte sehr tief Luft und murmelte: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir!“
Petrus aber drehte sich um und weinte bitterlich …
Redemptions sacramentum
6. Die Mißbräuche tragen zur Verdunkelung des rechten Glaubens und der katholischen Lehre über dieses wunderbare Sakrament» bei. (…)
12. Alle Christgläubigen haben das Recht auf eine wahre Liturgie und besonders auf eine Feier der heiligen Messe, wie sie die Kirche gewollt und festgesetzt hat, wie es also in den liturgischen Büchern und durch andere Gesetze und Normen vorgeschrieben ist. (…)
108. Die Feier der Eucharistie ist an einem geheiligten Ort zu vollziehen, wenn nicht in einem besonderen Fall zwingende Umstände etwas anderes erfordern; in diesem Fall muß die Feier an einem geziemenden Ort stattfinden. Ob solche zwingende Umstände gegeben sind, wird in der Regel der Diözesanbischof von Fall zu Fall für seine Diözese beurteilen.
77. Die Feier der heiligen Messe darf in keiner Weise in den Kontext eines gemeinsamen Mahles eingefügt oder mit einem solchen Mahl in Beziehung gebracht werden. Von einer schweren Notlage abgesehen, darf die Messe nicht an einem Eßtisch oder in einem Speisesaal oder an einem Ort, an dem die Mahlzeiten eingenommen werden, und auch nicht in einem Raum, in dem sich Speisen befinden, gefeiert werden. Diejenigen, die an einer Messe teilnehmen, dürfen während der Feier nicht an Tischen sitzen. Wenn die Messe aufgrund einer schweren Notlage am gleichen Ort gefeiert werden muß, wo nachher die Mahlzeit eingenommen wird, soll zwischen dem Abschluß der Messe und dem Beginn des Mahles ein deutlicher zeitlicher Abstand eingeschoben werden; während der Meßfeier darf die gewöhnliche Speise für die Gläubigen nicht sichtbar sein.
111. Ein Priester ist zur Zelebration oder Konzelebration der Eucharistie zuzulassen, auch wenn er dem Rektor der Kirche nicht bekannt ist, sofern er ein Empfehlungsschreiben des Apostolischen Stuhles oder seines Ordinarius oder seines Oberen vorlegt, das höchstens vor einem Jahr ausgestellt wurde, oder wenn vernünftigerweise anzunehmen ist, daß er bezüglich der Zelebration keinem Hindernis unterliegt.
48. Das Brot, das für die Feier des hochheiligen eucharistischen Opfers verwendet wird, muß ungesäuert, aus reinem Weizenmehl bereitet und noch frisch sein, so daß keine Gefahr der Verderbnis besteht. Daraus folgt, daß Brot, das aus einer anderen Substanz, wenn auch aus Getreide, bereitet ist, oder Brot, dem eine vom Weizen verschiedene Materie in so großer Menge beigemischt ist, daß es gemäß dem allgemeinen Empfinden nicht mehr als Weizenbrot bezeichnet werden kann, keine gültige Materie für den Vollzug des eucharistischen Opfers und Sakramentes darstellt.
55. An einigen Orten hat sich der Mißbrauch verbreitet, daß der Priester bei der Feier der heiligen Messe die Hostie während der Wandlung bricht. Dieser Mißbrauch widerspricht der Tradition der Kirche. Er ist zu verwerfen und dringend zu korrigieren.
88. Die Gläubigen sollen die sakramentale eucharistische Kommunion gewöhnlich während der Messe und zu dem im Ritus der Feier vorgeschriebenen Zeitpunkt empfangen, also direkt nach der Kommunion des zelebrierenden Priesters. (…)
94. Es ist den Gläubigen nicht gestattet, die heilige Hostie oder den heiligen Kelch selbst zu nehmen und noch weniger von Hand zu Hand unter sich weiterzugeben. (…)
97. Sooft der Priester die heilige Messe zelebriert, muß er am Altar zu dem vom Meßbuch festgesetzten Zeitpunkt kommunizieren (…)
50. Der Wein, der für die Feier des hochheiligen eucharistischen Opfers verwendet wird, muß naturrein, aus Weintrauben gewonnen und echt sein, er darf nicht verdorben und nicht mit anderen Substanzen vermischt sein. Bei der Meßfeier muß ihm ein wenig Wasser beigemischt werden. Es ist sorgfältig darauf zu achten, daß der für die Eucharistie bestimmte Wein in einwandfreiem Zustand aufbewahrt und nicht zu Essig wird. Es ist streng verboten, Wein zu benützen, über dessen Echtheit und Herkunft Zweifel bestehen: Denn bezüglich der notwendigen Bedingungen für die Gültigkeit der Sakramente fordert die Kirche Gewißheit. Es darf kein Vorwand zugunsten anderer Getränke jedweder Art zugelassen werden, die keine gültige Materie darstellen.