In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse sprach Bischof Gerhard Ludwig Müller (Regensburg) über den Papstbesuch und die Ökumene. Das kann nur als endgültige Absage an die Ökumenische Bewegung und den Auftrag Christi („Alle sollen eins sein“ Joh 17,21) verstanden werden.
Es wäre absurd, auf evangelischer Seite zu erwarten, dass wir unser sakramentales Kirchenverständnis ankratzen, zu dem auch das Bischofsamt und die Nachfolge Petri im Papst fundamental dazugehören. (…) Natürlich brauchen wir eine Annäherung im Verständnis der Eucharistie bzw. des Abendmahls. „Abendmahl“ bezeichnet doch theologisch-inhaltlich etwas anderes als unsere katholische Eucharistiefeier. Die Auffassungsunterschiede in dieser Frage waren ja ein Grund dafür, warum es überhaupt zur Kirchenspaltung kam. Dieses in wichtigen Elementen gegensätzliche Verständnis muss erst überwunden werden, aber eben nicht dadurch, dass die katholische Kirche im Nachhinein wesentliche Elemente ihres Eucharistieglaubens aufgibt, sondern indem wir gemeinsam tiefer verstehen, was das Erbe Jesu Christi ist – die Einsetzung der Eucharistie beim Letzten Abendmahl, ihr Bezug zum Kreuzesopfer Jesu, die wirkliche Gegenwart von Leib und Blut Christi, ihr Zusammenhang mit der apostolischen und sakramentalen Verfassung der Kirche im Bischofs- und im Priesteramt. Das sind die Fragen, die gelöst werden müssen, und wir können sie ja nicht wie bei einer politischen Verhandlung einfach einer Kompromisslösung zuführen.
Wenn Bischof Müller recht hat, wird sich die katholische Kirche in den entscheidenden Fragen (Eucharistie-Verständnis, Opferlehre, Papstprimat, Amtsverständnis) Protestanten nie auch nur eine Handbreit nähern können: sie vertritt die einzig wahre Lehre und jeder Versuch, daran zu „kratzen“, wäre ein Verrat am „Erbe Jesu Christi“.
Die Einheit der Christen wäre also nur möglich, wenn die protestantischen Christen ihre Irrlehren aufgeben und der katholischen Lehre folgen würden. Anderenfalls wäre Ökumene nur als „friedliche Koexistenz“ dauerhaft getrennter Konfessionen denkbar – was kaum im Sinne von Joh 17,21 wäre.
„Uns wirft man immer vor, wir würden eine Rückkehr-Ökumene betreiben“, sagte Bischof Müller im Interview. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, dass er diesem Vorwurf nicht widerspricht …
Bischof Müller irrt aber, wenn er meint, die katholische Kirche könne und dürfe sich nicht bewegen. Das zeigt der Streit um Luthers „Rechtfertigungslehre“ [1], der letztlich zur Kirchenspaltung führte. Trotzdem haben sich die katholische und die lutherische Kirche so weit aufeinander zu bewegt, dass sie schließlich am Reformationstag 1999 eine gemeinsame „Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ veröffentlichten und den Streit als beigelegt bezeichneten. Wenn sich die katholische Kirche in diesem Punkt bewegen konnte, spricht nichts dagegen, dass sie sich auch in anderen theologischen Fragen bewegt, dass sie jahrhundertealte Lehraussagen neu formuliert, neu interpretiert oder ergänzt.
Privatmeinung – oder offizielle Position der katholischen Kirche?
Ist diese Abage an die Ökumene also nur die Privatmeinung von Bischof Müller? Oder gibt er damit die offizielle Position der katholischen Kirche wieder? Immerhin ist Bischof Müller der Vorsitzende der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz. Ich habe dort angefragt. Matthias Kopp, Pressesprecher der DBK, beantwortete mir diese Frage mit einem einzigen Satz:
Jeder Bischof kann seine eigene Auffassung vertreten und diese öffentlich kundtun.
Kein Wort zur Position der katholischen Kirche und der Bischofskonferenz. Beruhigend. Es handelt es sich wohl doch nur um die Privatmeinung von Bischof Müller.
Das habe ich so nicht gesagt und ich untersage Ihnen diese Falschbehauptung. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich bei einem derartig interpretativen Journalismus die Korrespondenz mit Ihnen einstelle.
„Interpretativ“ bedeutet laut DUDEN „auf Interpretation beruhend; erklärend, deutend, erhellend“. (Aber ich glaube nicht, dass Herr Kopp das als Kompliment meinte.) Nun ja, Herr Kopp, wenn nicht einmal der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz willens oder fähig ist, eine kurze, klare Frage erklärend, deutend, erhellend zu beantworten, dann bleibt mir (und den Gläubigen beider Konfessionen) nichts übrig, als selbst nach Interpretationen zu suchen.
- Dabei ging es um die Frage, ob der Mensch durch eigene Leistungen, gute Werke, Verdienste oder den Erwerb von Ablassbriefen vor Gott gerecht wird oder ob das „allein aus Glaube, allein aus Gnade“ geschieht. Diese Erkenntnis Luthers im Jahre 1513 war der Ursprung seiner Reformation, die letztlich (gegen seinen Willen) zur Kirchenspaltung führte – nicht das unterschiedliche Verständnis der Eucharistie bzw. des Abendmahls, wie Bischof Müller im Interview sagte. (Luther veröffentlichte seine Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae“, in der er die katholische Sakramentenlehre kritisierte, erst 1520.) ↵