Die Voderholz’sche Theologie zuende gedacht
Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, predigte am Pfingstsonntag 2016 beim 67. Sudetendeutschen Tag in Nürnberg über die Gemeinsamkeiten von Christentum, Judentum und Islam, besonders aber über die Unterschiede – jedenfalls die Unterschiede zwischen Christentum und Islam. Dabei begeht er einen kleinen Denkfehler.
„Der Islam versteht sich in entscheidenden Punkten nicht als komplementäre Größe des Christentums, sondern als Korrektur“, so Voderholzer. Der Glaube an den dreifaltigen Gott beispielsweise sei für den Islam Gotteslästerung. „Es geht nicht nur um Schweinefleisch und Kopftuch, sondern zentral um die Gottesfrage und damit das Menschenbild“, sagte Voderholzer. Der Islam verneine gerade die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und damit die zentrale Glaubensaussage des Neuen Testaments, das „Kleinmachen Gottes“ in Geburt, Sterben am Kreuz und der Auferstehung. Damit lehne der Islam auch die den Glaubensgrundsatz der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen ab – und damit der Unzerstörbarkeit der Würde jedes Menschen:
Zu den grundlegenden Glaubensinhalten des Islam gehört die Verneinung der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, der zwar als Prophet unter vielen dem Propheten Mohammed nachgeordneten anerkannt, keinesfalls aber als der Mensch gewordene ewige Sohn des Vaters akzeptiert und bekannt wird.
Der Koran nimmt das Revolutionäre des Christentums zurück, dass nämlich der große und heilige Gott sich klein machen kann und sich klein gemacht hat, in der Krippe von Bethlehem und mehr noch am Kreuz auf Golgotha, um die Menschheit mit sich zu versöhnen, die Welt zu erlösen nicht durch Gewalt, sondern durch die wehrlose Annahme der Gewalt und ihre Sühne am Kreuz.
Im Glauben an die Menschwerdung des ewigen Sohnes vom Vater her gründet letztlich auch die zum christlichen Abendland fundamental gehörige Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen, darin gründend die Überzeugung von der Unzerstörbarkeit seiner Würde.
(Die ganze Predigt können Sie hier nachlesen.)
Was Bischof Voderholzer offensichtlich nicht bedacht hat: Auch das Judentum verneint die „Menschwerdung Gottes in Jesus Christus“, nach der Voderholz’schen Theologie folglich auch das „Kleinmachen Gottes“, die Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen und die Unzerstörbarkeit der Würde jedes Menschen. Das war sicher nicht geplant, denn zum Judentum pflegt er doch sonst ein viel freundschaftlicheres Verhältnis.
Hier benutzt Rudolf Voderholzer ziemlich ungeschickt eine theologische Begründung, um „die Sorgen vieler Menschen“ vor den „Migrationsbewegungen, ausgelöst vor allem durch Krieg und Bürgerkrieg infolge des Auftretens von extremistischen und fanatisierten Islamisten“ zu bedienen.
Sie [die Muslime] haben ein Recht darauf, von uns zu erfahren, dass das Kreuz nicht das Symbol gewaltsamer Eroberung ist, sondern das Zeichen des Heils; dass Christus dieses ursprüngliche Marterwerkzeug verwandelt hat in das Zeichen der göttlichen Liebe, durch die er alle Menschen erlöst hat.
Dass viele Jahrhunderte hindurch unter dem Zeichen und im Namen des Kreuzes – mit Billigung der Päpste – nicht die göttliche Liebe zu den Menschen kam, sondern unvorstellbare Grausamkeiten, das erwähnt Bischof Voderholzer nicht. Dass Christus noch bis vor fünfzig Jahren (bis zur Veröffentlichung der Konzilsschrift „Nostra aetate“) durchaus nicht alle, sondern nur die römisch-katholischen Menschen erlöst hat, das erwähnt er auch nicht.
Stattdessen ruft er (wie schon Papst Benedikt in seiner Regenburger Predigt) den Islam dazu auf, „die Fragen betreffs Glaube und Vernunft, Gott und Gewalt zu klären“.
Bitte, Herr Bischof, fangen Sie doch schon mal damit an!